Ich bin weder Golflehrer, noch Didaktiker. Als Hobbygolfer habe ich mich nach meinen ersten Golfstunden frustriert gefragt, was hilfreichen Golfunterricht und gute Didaktik ausmacht. Da ich seit 2008 ein intelligentes Tutorsystem entwickle, habe ich mein informationstechnologisches Wissen auf den Golfunterricht übertragen und mit den Erkenntnissen des ehemaligen Golf-Nationaltrainers Oliver Heuler verknüpft.
Grundlagen der Didaktik
Für lernwirksamen Unterricht mit Hobbygolfern sind die folgenden didaktischen Prinzipien relevant.
Für professionelle Golfer und leistungsorientierte bzw. wettkampfsorientierte Amateurgolfer spielen Fitness, Beweglichkeit, Neuro-Athletik, Ernährung oder Mentaltechniken eine andere Rolle als für Hobbygolfer. Die didaktischen Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Golfschwungtechnik.
Einzelunterricht
Bereits in den achtziger Jahren stellte der amerikanische Psychologe Benjamin Bloom fest, dass die durchschnittlichen Lernergebnisse, die im Rahmen einer Eins-zu-Eins-Betreuung erzielt werden, denen der besten zwei Prozent einer Eins-zu-Dreißig-Betreuung entsprechen. Es ist naheliegend, dass Einzelunterricht beim Erlernen des Golfschwungs effektiver ist als Gruppenunterricht. In der Didaktik heißt das »Sozialform«.
Motivation des Schülers
Im Gegensatz zum Unterricht in der Schule basiert Golfunterricht bei Erwachsenen auf Freiwilligkeit. Ein persönliches Unwohlsein (»ich toppe ständig meine Bälle«) ist die Basis für intrinsische Motivation. Und die lässt sich allgemeinbekannt durch nichts Besseres ersetzen.
Bei Geschenkgutscheinen für eine Golfstunde erscheint der Schüler auch freiwillig. Vielleicht aber nur aus dem Unwohlsein heraus, den Gutschein nicht verfallen lassen zu wollen. Hier wäre es hilfreich, wenn Schüler und Golflehrer zumindest sicherstellen, ob und wo der (Golf)schuh drückt.
Klärung der Rollen
Erfahrungen aus der Schulzeit prägen die Wahrnehmung der Rolle des Lehrers. Doch die Aufgabe eines Golflehrers ist es nicht, den Schwung zu benoten oder Lob und Tadel auszusprechen. Für den Lernerfolg ist es hilfreich, wenn sich Golflehrer und Schüler dessen bewusst sind.
Der Golflehrer agiert als Coach und Unterstützer. Er bringt auf Augenhöhe bei und belehrt nicht von oben herab.
Kompetenzerwartung
In schulischen Lehrplänen werden stichpunktartige Kompetenzerwartungen formuliert. Für den Laien klingen diese meist wie böhmische Dörfer. Dennoch ist es vorteilhaft, wenn ein Golflehrer eine klare Kompetenzerwartung hat. Bereits hier unterscheiden sich hilfreiche von nicht hilfreichen Golflehrern.
Ermittlung des Kompetenzstandes
Eine realistische Einschätzung des Kompetenzstandes des Schülers durch den Golflehrer ist eine wichtige Grundlage. Sie beeinflusst die Methoden und Unterrichtstechniken.
- Welche Selbstwahrnehmung seines Golfschwungs hat der Schüler?
- Sind die Ursachen für die »schlechten« Schläge bekannt?
- Wie tief ist das Verständnis für den Bewegungsablauf?
- Wie stark sind die koordinativen Fähigkeiten (Feinmotorik und Grobmotorik) ausgeprägt?
Darüber hinaus hilft die Berücksichtigung weiterer Faktoren wie die körperliche Vorraussetzungen, die Ausrüstung und der mentale Zustand, ein möglichst umfassendes Bild des Schülers zu bekommen.
Gemeinsames Lernziel
Lernerfolg ist dann besonders wahrscheinlich, wenn Lehrer und Schüler sich über ein gemeinsames Lernziel verständigt haben (siehe Meta-Studie »Visible learning into Action: International Case Studies of Impact.« von John Hattie).
Ein Ziel für eine Golfstunde könnte sein, den Slice (Ballflug mit starkem Rechtsdrall) zu eliminieren und Ballflüge zu erzeugen, mit denen der Schüler zufrieden ist (Wohlsein herstellen).
Akkurate Analyse
Eine ungenaue Analyse erschwert das Erreichen des Lernziels. Nach einem Dialog mit dem Schüler und der Beobachtung bzw. Aufzeichnung mehrerer Schwünge (siehe »Ermittlung des Kompetenzstandes«) folgt die Analyse des Ist-Zustandes. Das Genauigkeit der Analyse hängt von der Kompetenz des Golflehrers ab. Auch die Vorgehensweise des Golflehrers beeinflusst maßgeblich das Erreichen des Lernziels und den Erfolg der Golfstunde (siehe »didaktische Methoden und Arbeitsformen in der Golfstunde«).
Vermittlung des Zielbildes und Einsatz von Technologie
Häufig weicht beim Golfschwung die Selbstwahrnehmung des Schülers vom Ist-Zustand ab. Daher ist es hilfreich, wenn der Golflehrer, die Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität verringert. Am einfachsten gelingt dies mit Hilfe einer Video-Aufzeichnung mit Kommentaren und Annotationen zur Verdeutlichung des Zielbildes. (Nicht mit dem Lernziel verwechseln!)
In der Mathematikdidaktik gibt es unterschiedliche »Darstellungsformen« (E-I-S-Modell nach Bruner). Diese lassen sich auf den Golfschwung übertragen:
Eine lexikalische bzw. sprachliche Darstellung wäre: »Die Handgelenke sind palmar im höchsten Punkt und der Schläger kreuzt.« Diese Form der Darstellung ist zwar unter Golflehrern verständlich, für einen Hobbygolfer aber meist nur Kauderwelsch.
Ein Vormachen des Ist-Zustandes durch den Golflehrer ist für Nicht-Golflehrer deutlich verständlicher. Ebenfalls hilfreich: Übertreibungen, gefolgt vom (ebenfalls übertriebenen) Vormachen des Zielbildes.
Am niederschwelligsten ist das Zeigen einer Videoaufnahme des Schülers aus mehreren Perspektiven, gepaart mit dem Einzeichnen von Hilfslinien und Winkeln zur besseren Visualisierung (»salient machen« in einem intelligenten Tutorsystem). Im Golfunterricht bietet ein Scope-System diese Funktionalitäten. Die Bedienung des Systems erfolgt durch den Golflehrer.
Auch andere Technologien wie Launch-Monitore können zur Messung von Schwung- und Ballflugdaten herangezogen werden.
Ergebnisorientierung und minimal inversive Vorgehensweise
Nicht nur eine akkurate Analyse erfordert Kompetenz des Golflehrers. Er gestaltet auch die didaktische Vorgehensweise, um das vereinbarte Lernziel zu erreichen. Er steuert den Golfunterricht durch einen initialen Impuls, gefolgt von ständig neue (Lern)impulsen. Die Erfahrung und didaktische Expertise des Golflehrers entscheiden maßgeblich über den Lernerfolg.

Kaum jemand kennt sich mit der Schwungtechnik so gut aus wie der ehemalige Golf-Nationaltrainer Oliver Heuler. In diesem Dreiergespräch erfährst...
Beim Golfschwung können sich Fehlermuster gegenseitig neutralisieren. Daher ist es notwendig, dass der Golflehrer ein tiefes Verständnis der Wirkung von Schwungkorrekturen hat. Ansonsten könnte zwar ein Fehler behoben werden, der Schüler jedoch die Freude am Golfsport verlieren, wenn auf Grund eines weiteren (nicht behobenen) Schwungfehlers ständige Fehlschläge die Folge wären. Eine minimal inversive Vorgehensweise, die ergebnisorientiert ist (Ballflug) verspricht die nachhaltigsten Erfolge.
Verfahren und Verständnis
Beim Golf sind gute Ballkontakte trotz mehrer Schwungfehler möglich (da sich verschiedene Fehler gegenseitig neutralisieren können). Der Kompetenzstand des Schülers (bzw. dessen Lernfortschritt innerhalb der Golfstunde) entscheidet über verfahrens- oder verständnisorientierte Hilfestellungen und Erklärungen des Golflehrers.
Eine verfahrensorientierte Erklärung wie »Achte darauf, dass die rechte Hand im Abschwung hinten bleibt« führt zu einer besseren Umsetzung der Bewegung, aber nicht zwangsläufig zu einem Verständnis des Golfschwungs. Hierfür ist ein fortgeschrittener Kompetenzstand des Schülers erforderlich.
Vertrauen
Sollte der Schüler Fehlvorstellungen oder Glaubenssätze haben, die der Vorgehensweise des Golflehrers widersprechen, ist es ggf. hilfreich, vor weiteren Interventionen Vertrauen aufzubauen.
Vertrauen lässt sich mit geschickten Formulierungen aufbauen: »Probiere es einfach mal aus! Wenn Du mit dem Ergebnis nicht zufrieden bist, schwingst Du weiter wie bisher.«
Reaktion auf Lernfortschritte (»formative Didaktik«)
Merkt der Golflehrer im Laufe einer Golfstunde, dass er die Kompetenz des Schülers falsch eingeschätzt hat, stehen verschiedene didaktischen Methoden und Arbeitsformen zur Wahl. Diese sind auch dann relevant, wenn sein gesetzter Impuls nicht zum gewünschten Ergebnis führt.

Golfunterricht hat Dir bisher nichts gebracht? In dieser Folge erfährst Du, woran Du einen guten Golflehrer erkennst und was didaktisch gut...
Methoden, Arbeitsformen und Didaktik in der Golfstunde
Didaktik bezeichnet den Weg, den der Golflehrer beschreitet, um das Lernziel gemeinsam mit dem Schüler zu erreichen. Bei einer guten Didaktik wird ggf. das Lernziel im Laufe der Unterrichtsstunde und im Rahmen der Kompetenzerwartung angepasst (»Progression« bzw. »Regression«). Hierbei können die im Video von Oliver Heuler vorgestellten Methoden und Arbeitsformen angewandt werden.
Methodische Reihen, Progression und Regression
Nach der Analyse und Zielvereinbarung startet die Umsetzungsphase. Kompetenz des Golflehrers zeigt sich, indem er einen fruchtbaren Startimpuls setzt. Die Optionen sind schier unendlich: Erfolgt der erste Versuch der Umsetzung mit einem langsamen, halben Schwung mit einem Sand Wedge vom Tee? Oder doch direkt Vollgas mit einem langen Eisen vom Boden? Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen trifft der Golflehrer seine Wahl.
Bereits nach wenigen Versuchen zeigt sich, wie gut der Golflehrer auf die ersten Ergebnisse reagiert. Schafft er es, den »Sweet Spot« zwischen Langeweile (zu einfach) und Überforderung (zu schwierig) zu treffen, um den Schüler ideal zu fördern (siehe auch Flow-Therorie nach Csíkszentmihályi)? In der Fachsprache wird dies als »longitudinale Analyse« bezeichnet.
Methodische Reihen sind ein Instrument der Sportdidaktik (siehe Fetz & Größing). Die Übungen bauen von der Schwierigkeit aufeinander auf und der Golflehrer entscheidet sowohl über den Einstieg (Startimpuls) als auch über Progression und – falls notwendig – über die Regression, also die Vereinfachung des Schwierigkeitsgrades.
Die größten Feinde dieser deduktiven Vorgehensweise sind Ungeduld des Schülers und Ehrgeiz des Golflehrers.
Schnelles und verständliches Feedback
Für Lernfortschritte (im Rahmen einer methodischen Reihe) ist sofortiges und akkurates Feedback wichtig. Das ist nicht nur in intelligenten Tutorsystemen so, sondern auch auf der Driving Range. Für den Golflehrer eine höchst anspruchsvolle Aufgabe: Wie formuliere und präsentiere ich meine Hinweise so, dass sie verständlich und umsetzbar für den Schüler sind?
Gleichzeitig ist es wichtig, das Lernziel (den Ballflug) im Auge zu behalten.
Führt eine erste notwendige Schwungkorrektur dazu, dass der tiefste Punkt des Schwungs nach oben »wandert«, dann ist es ratsam, den Ball zunächst auf ein hohes Tee zu legen. Denn Luftschläge steigern meist nicht die Freude und Motivation des Schülers.
Hilfsmittel
Eine deduktiven Vorgehensweise (siehe »methodische Reihen«) schließt keine induktiven Erkenntnisse aus (siehe »Verfahren und Verständnis«). Hilfsmittel sind dann hilfreich, wenn sie auf Fehler unmittelbar reagieren und nicht Fehler vermeiden.
Das Führen des Schülers durch einen Schlagroboter ist eine fehlervermeidende Hilfestellung. Bereits aus dem Krabbelalter wissen wir, dass die Schwerkraft jeden falschen Schritt mit einem Hinfallen quittiert. Ein äußerst wirksames Hilfsmittel beim Laufen lernen. Beim Golfschwung ist es genauso: Treffe ich den Golfball immer an der Spitze des Schlägerblattes, hilft ein zweiter Kontrollball, Spitzentreffer zu vermeiden. Außerdem gibt er schnelles und verständliches Feedback, wenn es nicht geklappt hat.
Schummeln
Wenn ich versuche, meine Drehung zu verbessern, richte ich mich beim Ausholen auf. Ich schummle. Damit bin ich nicht allein. Ein erfahrener Golflehrer kennt die Schummelbewegungen (oder auch »Kompensationsbewegungen«) und interveniert sofort. Er verhindert, dass neue Fehlermuster eingeübt werden.
Paradoxe Intervention
Trotz aller sprachlichen und veranschaulichenden Bemühungen kann es passieren, dass ein Schüler einfach nicht in der Lage ist, eine Korrektur umzusetzen. Paradoxe Intervention hilft, die für die Bewegung notwendigen Muskeln wahrzunehmen.
Der Schüler schafft es im Abschwung nicht, die hintere Hand hinter der vorderen Hand zu lassen. Bei einer paradoxen Intervention drückt der Golflehrer so gegen den Schaft, dass der Schläger sich noch stärker in die unerwünschte Richtung bewegt.
Gibt der Golflehrer nun die Anweisung, die Bewegung des Schlägers zu unterdrücken, werden genau die Muskeln angesteuert, die für die gewünschte Bewegung verantwortlich sind.
Wichtig ist, dass der Schüler möglichst schnell nach der paradoxen Intervention einen Ball schlägt. Das Gehirn ist dann noch in der Lage, die Muskeln erneut anzusteuern.
Führen und Spüren
Das Ansteuern der Muskeln funktioniert mit einer weiteren Methode: Dem Führen und Spüren. Der Golflehrer übernimmt beispielsweise beim Wegnehmen des Schlägers die Führung. Nun beschreibt der Schüler, was er spürt. Verwendet der Golflehrer die Wörter des Schülers, verbessert sich die Kommunikation. Beide sprechen eine gemeinsame Sprache.
Verzögertes Feedback
Ist der Kompetenzgrad des Schülers hoch genug, ersetzt der Golflehrer sofortiges durch verzögertes Feedback. Damit verlagert sich der Fokus vom Verfahren auf das Verständnis. Es ist sicherlich nicht überraschend, dass tiefes Verständnis am nachhaltigsten ist (siehe auch Blooms Taxonomie).
Zusammenfassung per Video
Eine Zusammenfassung der Golfstunde mit dem Smartphone hilft dem Schüler, das Gelernte im wahrsten Sinne des Wortes zu sichern. Der Golflehrer fasst die Stunde zusammen und nimmt Schwungfehler, Übungen sowie Stolpersteine auf. Ein digitales Eselsohr für die anschließende Übungsphase auf der Driving Range.
Zu Beginn meiner »Golfkarriere« besuchte ich Oliver Heuler am Fleesensee. Hier gibt es die komplette Golfstunde im Video.
Die Stunde ist vorbei – und dann?
Nach der Golfstunde liegt die Verantwortung beim Schüler, das Gelernte zu festigen bzw. einzuüben. Nicht beim Golflehrer! Das wäre zwar bequem, allerdings auch teuer und wenig nachhaltig.
Noch nicht verinnerlichte Informationen sind nur das Wissen anderer. Erst das Anwenden und Umsetzen führt zur eigenen Wissensbildung. Der Weg von der bewussten Inkompetenz zur unbewussten Kompetenz ist lang. Didaktisch gut aufgebauter Golfunterricht ist ein Turbo für diesen langwierigen Prozess.
Bücher, E-Books und Online-Kurse steigern die Selbstwirkung Stück für Stück. Das Ergebnis: Ein konstanter(er) Golfschwung und mehr Spaß auf dem Platz.
Golfer sind neben ihrem Bemühen um erfolgreiches Spiel – die Freude am Golf ist ziemlich proportional zum Können – auch aufgerufen, die Vorurteile die hierzulande gegen dieses Spiel herrschen, mit guten Argumenten zu widerlegen: Golf ist teuer, Golf ist bewegungsarm, Golf ist umweltzerstörend, Golf ist kein Sport für Kinder… Für den umfassenden Golfgenuss gibt es für die ganze Golfcommunity also viel zu tun! Die erzieherischen Aspekte des Golfsports – Fairness, Geduld, Frustrationstoleranz – sind schon ausführlich abgehandelt worden. Der Golflehrer ist vor allem aufgefordert, die aktuelle Lebenswelt, die Biographie seiner Schüler als Basis der gemeinsamen Anstrengungen zu berücksichtigen. Ich muss mich… Weiterlesen »