Ein Drive über 380 Meter. Das klingt erstmal verrückt. Bei Long-Drive-Meisterschaften werden solche Weiten erzielt. Ich selbst bin als Pro auf der European Long Drive Tour unterwegs und möchte Dir die Schwung-Geheimnisse der Longdriver verraten.
Das Thema Long-Drive erlebt gerade einen Boom. 2016 gab es in Deutschland noch keinen einzigen Long-Drive Wettbewerb. Nur zwei Jahre später werden in Deutschland voraussichtlich drei Wettbewerbe stattfinden. Generell gibt es zwei verschiedene Organisationen und Verbände: Die European Long Drive Tour (LDET) und die Long Drive World Series (LDWS).
Während die erste Turnierserie europaweit stattfindet, werden Wettbewerbe der LDWS zum Beispiel auch in Dubai oder Mexiko ausgetragen. Meist spielt man anfangs eine Art Vorrunde oder Qualifikation. Man hat sechs Schläge in zwei oder drei Sets und versucht, maximal weit zu schlagen und dann noch einen 60 Yards (knapp 55 Meter) Korridor zu treffen. Der weiteste Schlag im Korridor wird gezählt. Eine gewisse Anzahl an Spielern qualifiziert sich dann für die nächste Runde. Hierbei geht es meist direkt mit direkten Duellen im K.O.-System weiter. Im Gegenteil zum klassischen Golf wird hier richtig Party gemacht, rumgeschrien und angefeuert.
Fast jeder Golfer stellt sich die Frage, wie er den Ball weiter schlagen kann. Das ist meist das Diskussionsthema auf der Driving Range … Die Schwungtechnik im Long Drive unterscheidet sich in vielen Punkten vom normalen Golfschwung. Genau diese Unterschiede zeigen, an welchen Stellen sich die Geheimnisse für besonders lange Schläge verstecken.
In Bezug auf die Schlagweite können wir von den Longdrivern dieser Welt am meisten lernen. Was machen Long- Driver anders? Was befähigt sie dazu, so weit zu schlagen?
Es gibt große Athleten (an die 2 Meter), aber auch kleine (1,77 Meter). Es gibt sehr schwere Athleten (120 Kg), aber auch relativ leichte (90 Kg). Nun, ich zähle eindeutig zu den Leichteren und bin auch nicht sonderlich groß. Umso wichtiger ist es, dass die Technik stimmt. Als Golffitnessexperte und Longdriveprofi bin ich der Meinung, dass es drei wichtige Technikbausteine gibt, um möglichst weit zu schlagen.
Wir fangen an mit dem ersten Geheimnis:
Vertikale Bewegungen
Im klassischen Golftraining wird gelehrt, dass man seine Körperhöhe im Schwung nicht ändern soll. Es findet eine Rotation um die eigene Achse statt. Im Long Drive ist das Gegenteil der Fall. Viele Longdriver machen sich im Umkehrpunkt zum Abschwung kleiner und explodieren dann auf dem Weg zum Ball nach oben (maximale Streckung). Ziel ist es, möglichst viel Kraft zu generieren. Und um Kraft zu generieren, braucht man möglichst viele Hebel und Bewegungen (Beugungen + schnelle Streckungen) in den verschiedensten Gelenken. Je mehr Bewegungen parallel stattfinden, desto schwieriger wird es mit der Konstanz. Wobei hier natürlich auch die extreme Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Willst Du den Ball weiter schlagen, musst Du Dich auf dem Weg zum Ball strecken (Knie, Hüfte, Arme, Wirbelsäule).

Links: Auf dem Weg zum Ball: Beugung der Gelenke. Man macht sich klein. Rechts: Kurz vor dem Treffmoment: Maximale Streckung. Meist erkennt man sogar einen kleinen Sprung nach oben.
Überschwung + Überrotation
Ein weiterer grundlegender Unterschied ist die Ausholbewegung. Hier wird versucht, maximal zu überschwingen. Manche Longdriver berühren am Ende der Ausholbewegung mit ihrem Schläger ihre linke Schulter: Mehr Überschwung ist nicht möglich. Sinn des Ganzen ist eine Erhöhung des Beschleunigungsweges. Man hat mehr Weg, um den Schlägerkopf auf seine maximale Geschwindigkeit zu bekommen. Damit einher geht auch die weitere Rotation. Viele heben ihren linken Fuß an. Das befähigt sie, mehr zu rotieren. Mehr Rotation, weg vom Ziel, bringt erneut mehr Beschleunigungsweg. Natürlich arbeiten Longdriver auch gezielt an ihrer Beweglichkeit, was der normale Golfer meist nicht macht. Aufgrund von Bewegungseinschränkungen entstehen dadurch häufig witzige Schwungbilder.

Links: Normaler Golfschwung. Rechts: Durch das Lösen des linken Fußes vom
Boden, kann man mehr rotieren und weiter
Ausholen.
Der Dance-Step
Hört sich witzig an, ist aber sehr effektiv. Long Driver springen nicht nur hoch und strecken sich maximal, sondern bewegen sich mit der Hüfte weg vom Ball (während des Abschwungs, kurz vor dem Treffmoment). Ein explosives Wegdrehen der Hüfte weg vom Ball, erhöht in der Folge die Rotationsgeschwindigkeit des Schlägers und beeinflusst somit direkt die Schlägerkopfgeschwindigkeit. In der Endposition sind sie vom Ball bzw. vom Tee weiter entfernt als beim Set-Up.
Wenn man ganz klassisch, wie in einer Videoanalyse, Linien einzeichnen würde (Hüftposition, Kopfposition, Körperhöhe etc.), so bräuchte man für fast jedes Frame eine neue Linie. Die Gelenkstellungen bei Longdrivern ändern sich auf extreme Art und Weise. Das sieht nicht nur beeindruckend aus, sondern ist auch beeindruckend effektiv, wenn es um die Erhöhung der Schlagweite geht. Die Summe der einzelnen Teilbewegungen befähigt diese Herren, den Ball so weit zu schlagen.

Links: : Hüfte bleibt an derselben Position. Rechts: Hüfte bewegt sich weg vom Ball. Die Rotationsfähigkeit wird dadurch verstärkt.
3 Tipps für einen längeren Drive
Vor allem die Herren beschäftigen sich damit, wer den Ball weiter schlägt. Während dem Schwung erkennt man dann den Willen, den Ball weit schlagen zu wollen, aber irgendwie kommt davon nichts am Ball an. Doch warum ist das so? Die biomechanischen Gesetzmäßigkeiten und Parameter werden nicht eingehalten. Mehr draufhauen ist nicht gleichzusetzen mit weiter schlagen. Um diese Parameter zu erfüllen, muss eine gewisse Körperlichkeit gegeben sein (Kraft+ Beweglichkeit). Meist reichen aber schon einfache Tricks, damit direkt eine höhere Schlägerkopfgeschwindigkeit erreicht werden kann. Will man aber wirklich 30 bis 50 Meter Länge herausholen, muss die körperliche Komponente verbessert werden.
Tipp 1: Lockere Deinen Griff
Die meisten Golfer verkrampfen im Handgelenk (und überstrecken den Ellenbogen), sobald sie weiter schlagen wollen. Doch genau dieser Fehler hindert Dich daran, eine hohe Schlägerkopfgeschwindigkeit zu erreichen. Das Handgelenk sollte sich noch locker bewegen können!
Du musst die Muskeln des Handgelenks im Schwung auf Vorspannung bringen (anbeugen) können, so dass sie kurz vor dem Treffpunkt bzw. beim Treffpunkt des Balles die nötige Kraftentfaltung (Streckung und Rotation) vollbringen können. Das funktioniert nicht, wenn Du zu fest greifst. Bewegungsspielraum im Handgelenk ist entscheidend für weite Schläge!
Tipp 2: Triff den Ball mit dem Driver in der Aufwärtsbewegung
Viele Golfer schlagen ihren Driver bewegungstechnisch genauso wie ihre Eisen. Das nimmt Dir aber Einiges an Länge. Entscheidend ist hier die Ballposition. Die Balllage muss links sein und die rechte Schulter steht dementsprechend wesentlich tiefer in der Ansprechposition, als es beim Eisenschlag der Fall ist. Man trifft den Ball dadurch in der Aufwärtsbewegung und generiert viel weniger Backspin. Ergebnis: Die Flugkurve ist flacher, der Ball steigt nicht einfach nur hoch, sondern hat einen schönen Drall nach vorne. Ergebnis: Die generierte Kraft kommt auch am Ball an und Du schlägst wesentlich weiter!
Tipp 3: Wärme Dich richtig auf
Ein richtiges Aufwärmtraining kann Dir direkt mehr Schwunggeschwindigkeit generieren. Erwärmte Muskeln können bis zu 20% schneller kontrahieren. Folglich kannst Du Deinen Schläger bis zu 5 mph (bzw. 8 km/h) schneller schwingen. Ein sinnvolles Aufwärmtraining sollte Beweglichkeitsübungen, sowie schnellkräftige Übungen enthalten. Es sollte nicht ermüdend, sondern aktivierend durchgeführt werden. Je nach körperlicher Fitness brauchst Du dementsprechend verschiedene Übungen. Es gibt nicht das eine perfekte Aufwärmprogramm, das für alle Golfer gut ist. Für Anfänger ist dieses hier ein guter Einstieg.